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Der Streik gegen den falschen Gegner – das völlig absurde Theater der Sozialwirtschaft

  • Autorenbild: SPIA Redaktion
    SPIA Redaktion
  • vor 2 Tagen
  • 3 Min. Lesezeit

Von Graz bis ins Ennstal standen die Räder still. In über 90 steirischen Einrichtungen der Sozialwirtschaft wurde gestreikt. Die Wut der Beschäftigten ist echt, ihre Forderungen sind legitim. Doch wer genau hinsieht, erkennt ein absurdes Schauspiel: Ein Arbeitskampf, bei dem die Gegner eigentlich im selben Boot sitzen – während der wahre Verantwortliche sich vornehm zurückhält.


Es ist laut auf den Straßen. Trillerpfeifen, Transparente, kämpferische Reden. Wenn Pflegekräfte, Sozialarbeiter und Behindertenbetreuer die Arbeit niederlegen, dann nicht aus Jux, sondern aus Notwehr. Die Inflation frisst die Löhne, die Arbeitsverdichtung frisst die Gesundheit. Dass die Gewerkschaft vor der entscheidenden Verhandlungsrunde am 11. Dezember 2025 die Muskeln spielen lässt, ist verständlich.


Kann das Sozialsystem in Österreich reformiert werden?

  • Ja, es gibt innovative Ansätze dazu.

  • Nein, es ist zu verkrustet um etwas verändern zu können.


Doch dieser Arbeitskampf unterscheidet sich fundamental von einem Metaller-Streik. Wenn die IG Metall gegen einen Konzernboss streikt, kämpft Arbeit gegen Kapital. Es geht um Gewinne, die umverteilt werden sollen. In der Sozialwirtschaft (SWÖ) hingegen kämpft Arbeit gegen... ja, gegen wen eigentlich?


Es übertrifft sogar die Ironie des Operettenstaates, wenn in der österreichischen Sozialwirtschaft Chefs sich selbst in Streiks attackieren und die Politik schaut wieder einmal zu. Foto: Adobe Stock, WH_Pics
Es übertrifft sogar die Ironie des Operettenstaates, wenn in der österreichischen Sozialwirtschaft Chefs sich selbst in Streiks attackieren und die Politik schaut wieder einmal zu. Foto: Adobe Stock, WH_Pics

Das Paradoxon am Verhandlungstisch


Hier beginnt die Schizophrenie des Systems. Die «Arbeitgeber», die am Verhandlungstisch sitzen und «Nein» zu höheren Löhnen sagen, sind die Geschäftsführer von Caritas, Volkshilfe, Hilfswerk und Co. Es sind Menschen, die keine Profite scheffeln, sondern gemeinnützige Missionen erfüllen.


Noch absurder wird es, wenn man bedenkt, was diese Chefs abseits des Verhandlungstisches tun: Sie suchen verzweifelt Personal. Sie wissen besser als jeder andere, dass sie ohne massive Gehaltssprünge niemanden mehr finden werden, der alte und behinderte Menschen oder Jugendliche betreut. Eigentlich müssten diese Geschäftsführer Seite an Seite mit der Gewerkschaft auf der Straße stehen und brüllen: «Wir brauchen mehr Geld für unsere Leute!» Stattdessen sitzen sie drinnen und spielen den strengen Buchhalter. Warum? Weil sie in einer Falle sitzen.


Der abwesende Elefant im Raum


Die Sozialwirtschaft ist ein Riese am «Gängelband». Die Organisationen erbringen Leistungen, die der Staat garantiert hat, aber sie können die Preise dafür nicht selbst festlegen. Das Geld kommt aus den Töpfen der Bundesländer und des Bundes. Die SWÖ-Verhandler sind somit Arbeitgeber ohne eigene Brieftasche. Sie verwalten Mangel.

Das führt zu dem unwürdigen Schauspiel, das wir derzeit erleben: ein Schattenboxen. Die Gewerkschaft schlägt auf die Arbeitgeber ein, damit diese «Aua» schreien, in der Hoffnung, dass die Politik das hört und den Geldhahn aufdreht. Es ist ein Streik über die Bande.


Schluss mit dem Versteckspiel


Diese strukturelle Verantwortungslosigkeit muss enden. Es ist eine politische Doppelmoral der Sonderklasse, wenn Landeshauptleute und Ministerien die «Helden der Pflege» sonntags loben, aber montags die Budgets so deckeln, dass keine ordentliche Lohnerhöhung möglich ist und die Arbeitsbedingungen immer noch durch Unsicherheit und Überbelastung geprägt sind.


Es braucht daher zwei Dinge, um dieses Paradoxon aufzulösen:


  1. Mut zur Ehrlichkeit bei den Trägern: Die SWÖ-Führung muss aufhören, im vorauseilenden Gehorsam die Budgets der Politik zu schonen. Wenn ein guter KV-Abschluss nicht finanziert ist, dann muss man das Problem dorthin zurückspielen, wo es hingehört: in die Landtage und ins Parlament.

  2. Verantwortung der Politik: Die Politik darf nicht länger der «abwesende Dritte» am Verhandlungstisch sein. Wer die Musik bestellt (Pflege, Betreuung, soziale Sicherheit), muss sie auch bezahlen.


Solange die Politik sich hinter den Trägerorganisationen verstecken kann, werden die Mitarbeitenden weiter gegen Chefs streiken, die eigentlich ihre Verbündeten sein müssten. Das ist nicht nur paradox, das ist eine Verschwendung von Energie, die wir im Sozialstaat dringend anderswo bräuchten.


Der Warnstreik war das Signal. Die Antwort muss jetzt nicht nur von der SWÖ kommen, sondern vor allem aus den Regierungsbüros.



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